Aber Hunde untereinander...

Hunde untereinander

 

Immer wieder wird im TV, auf Social Media oder auf Webseiten ein ruppiger Umgang mit dem Hund damit gerechtfertigt, dass Hunde untereinander auch nicht immer nur freundliches Verhalten zeigen.

Das ist unumstritten wahr.

Trotzdem möchte ich im folgenden Blogartikel darauf eingehen, warum der Vergleich zwischen Hund-Mensch und Hund-Hund hinkt und wieso menschliche und hündische Körpersprache nicht miteinander zu vergleichen ist.

 

Wozu dient Aggressionsverhalten?

Schäferhund und Border Collie im Konflikt
Aggressionsverhalten dient dem Distanzaufbau

Schauen wir uns erstmal an, welche Funktion aggressives Verhalten gegenüber anderen Lebewesen überhaupt hat. 

 

Aggressionsverhalten gehört zum ganz normalen Verhaltensrepertoire von Hunden (ebenso wie bei uns Menschen). Es hat den Sinn, ein anderes Lebewesen auf Distanz zu bringen, entweder zum eigenen Schutz oder, um eine Ressource zu sichern.

 

Sich das bewusst zu machen ist sehr wichtig: Ein Hund zeigt in der Regel aggressives Verhalten, wenn er sich selber bedroht fühlt. Dabei wird das Auftreten von aggressivem Verhalten wahrscheinlicher, je weniger Möglichkeit ein Hund zur Flucht hat, denn ohne die Möglichkeit, selber Distanz aufzubauen, bleibt ihm nur noch, den potenziellen Angreifer zu vertreiben.

 

Reagiert ein Hund aggressiv, weil er eine Ressource verteidigen möchte, so geht es ebenfalls darum, den Konkurrenten auf Abstand zu bringen. Dabei wird in der Regel über eine aufsteigende Eskalationsleiter kommuniziert: Der Hund schirmt zunächst eine Ressource mit dem Körper ab, trägt sie unter Umständen weg vom Konkurrenten. Wenn das nicht hilft und sich der Konkurrent weiterhin nähert, so kommt es zum Blickfixieren, dann zum Knurren und schließlich ggf. auch zum Angriff, sollte der Konkurrent auf vorherige Kommunikationsversuche nicht in der gewünschten Form reagieren. 

 

Die Verteidigung von Ressourcen oder der Eigenschutz sind also die beiden Hauptgründe, warum Hunde aggressives Verhalten zeigen. Hunde setzen Aggressionsverhalten nicht ein, um ein anderes Lebewesen zu „erziehen“. Das ist eine vermenschlichte Sichtweise, auf die ich später noch eingehen werde.

 

Hündische Kommunikation ist fein abgestuft

Zwei Hunde im Direktkontakt, einer davon liegt am Boden und beschwichtigt
Beschwichtigendes Verhalten dient dazu, Konflikte zu vermeiden

Wie ich bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt habe, läuft hündische Kommunikation fein und in unterschiedlichen Stufen ab. Dabei spielt der gesamte Körper eine Rolle: Wie hoch ist die Körperspannung, wo steht die Rute, in welche Richtung geht der Blick? Ist ein Hund gerade auf einen Konkurrenten ausgerichtet oder steht er seitlich versetzt? Hält er Blickkontakt oder schaut er weg? Ist sein Maul geschlossen oder geöffnet?

 

All diese kleinen Ausdrucksdetails geben anderen Hunden Aufschluss darüber, was ihr Gegenüber möchte und sie reagieren entsprechend darauf, insofern sie in der Jugendentwicklung die hündische Kommunikation ausreichend lernen durften.

 

Da ein Konflikt in freier Wildbahn (ohne menschliche Obhut) lebensgefährlich enden kann, sind Hunde wahre Meister darin, Konflikte zu umgehen. Sie haben unglaublich viele Ausdrucksstrukturen für beschwichtigendes Verhalten und in der Regel bleibt es in Konflikten beim Drohverhalten. Der Hund, dem eine Ressource weniger wichtig ist, überlässt sie dem anderen.

 

Ein Hund, der ohne Vorwarnung einen anderen Hund angreift, hat entweder die Erfahrung gemacht, dass er für Knurren oder abschnappen bereits bestraft wird oder hatte vielleicht durch mangelnde Sozialisierung nicht die Möglichkeit, entsprechend feine Kommunikation zu lernen. Denn diese ist den Hunden nicht angeboren, der Welpe lernt sie von Geschwistern, der Mutter und anderen Althunden.

 

 

Aber die Mutter... die erzieht doch ihre Welpen?

Zwei Golden Retriever sitzen beisammen
Hundemütter sind in der Regel sehr geduldig mit dem Nachwuchs

Wenn man Hundemütter oder -tanten und die Welpen beobachtet, ist das erste, was auffällt, wie viel Geduld ältere Hunde in der Regel mit Welpen haben. Vor allem dann, wenn es in der „Familie“ bleibt, als wenn die Hunde miteinander verwandt sind: Es wird auf den Althunden geturnt, gebalgt, gespielt… 

 

Wird es einem älteren Hund dann doch zu viel, so geht er in der Regel als erstes weg. Er baut also Distanz auf zu dem „nervigen“ kleinen Welpen. Erst, wenn das nicht hilft, wenn der Welpe weiterhin aufdringlich ist, wenn er vielleicht sogar noch mit den spitzen Welpenzähnen in die Beine oder die Rute des älteren Hundes beißt… erst dann wird er zurechtgewiesen. Auch hier erfolgt vorab ein Drohen durch das Anheben der Lefzen oder ein Knurren. Die Zurechtweisung erfolgt abgestimmt und in der Regel nicht übertrieben hart.

 

Der Welpe lernt hier, dass er in Zukunft besser schon dann auf Abstand bleibt, wenn die Mutter droht.

 

Aber: auch hier geht es um Selbstschutz, denn Welpenzähne tun weh. Es geht um Verhalten in der sozialen Gruppe und um Kommunikation. Es geht nicht darum, dass die Mutter den Welpen Sitz oder Platz beibringen möchte.

 

In diesem Video bei Youtube kann man das sehr schön beobachten.

Also ist körperliches Strafen okay, wenn mich der Welpe zu feste beißt?

Nein! Denn wie oben beschrieben: Unter Hunden läuft Kommunikation immer abgestuft ab. Ehe der Hund einen anderen Hund körperlich angeht, wird körpersprachlich der Wunsch nach mehr Distanz eingefordert.

 

Wir Menschen können nicht so abgestuft körpersprachlich kommunizieren. Die Gefahr, dass wir aus Hundesicht unangemessen hart strafen, ist hoch und das hätte einen Vertrauensverlust zur Folge. Oder eine Fehlverknüpfung des Welpen mit bestimmten Dingen. 

 

Fazit

Ein Hund macht Männchen und bekommt eine Belohnung
Hunde untereinander bringen sich keine Tricks bei

Hunde setzen Aggressionsverhalten untereinander ein, um einen anderen Hund auf Abstand zu bringen. Wenn ich also meinen Hund, der neben mir an der Leine läuft, bedrohe, wenn er mich überholen möchte, was teile ich ihm da eigentlich mit? Richtig, dass ich ihn auf mehr Abstand haben will. Gleichzeitig hält ihn die Leine aber fest. Der Hund steckt in einem Dilemma und wird verunsichert, die Nähe zum Menschen wird ihm unangenehm gemacht.

 

Wir sollten einsehen, dass wir keine Hunde sind. Wir kommunizieren nicht hündisch, es fehlen dafür auch wichtige Körpermerkmale. Dass Hunde uns trotzdem verstehen liegt unter anderem daran, dass Drohverhalten artübergreifend sehr ähnlich abläuft: ein drohender Elefant macht sich ebenfalls groß und stellt die Ohren auf, Pferde, Rinder, Schafe oder Kojoten: die Körpersprache beim Drohen ist allen Fällen ähnlich. Außerdem sind Hunde wahre Meister darin, uns zu lesen und erkennen vermutlich auch bei uns schon, dass wir wütend sind, an der Körperspannung.

 

Und wir sollten einsehen, dass wir von unseren Hunden Dinge verlangen, die die Natur nicht vorgesehen hatte: Sitz, Platz und an der Leine laufen… das ist in einer Hundegruppe untereinander kein Thema. Hunde erziehen einander nicht, um der Erziehung willen. Sie kommunizieren und dabei geht es in der Regel um sie selber oder um eine von ihnen begehrte Ressource. 

 

„Hunde untereinander“ ist in meinen Augen daher keine Begründung, um mit meinem Hund strafbasiert zu arbeiten oder ihn ruppig zu behandeln. Strafe und Einschüchterung wirken immer über die Emotion Angst. Und Angst vor dem Partner haben zu müssen, ist kein gutes Gefühl. 

 

Weiterführende Links zum Thema:

Die Webseite "Sprich Hund"

"Ist Aggressionsverhalten normal?" - Artikel bei Easy Dogs von Ulrike Seumel

"Warum Aggressionsverhalten nicht böse ist" - Artikel von Anne Bucher

"Hilfe, mein Hund beißt." - Artikel von Ulrike Seumel in der "SitzPlatzFuss"

"Regentag" - eins von vielen Videos der Zuchtstätte "Kalalassies" 

 

 

Photo by Tadeusz LakotaShayna DouglasMarketa Wranova; Petr Magera on Unsplash