Die Bedürfnisse des Hundes

 

Da ich auf meiner Webseite stehen habe, dass ich „bedürfnisorientiert“ mit Hunden und ihren Menschen arbeite, möchte ich einmal darauf eingehen, was das für mich bedeutet und habe mich entschieden, einen Blogartikel zu schreiben.

 

Vorwort

 

Jede von uns hat Bedürfnisse. Egal ob Essen, Trinken, Schlaf, Sicherheit, Körperkontakt, sozialen Kontakt oder Bewegungsfreiheit: Wenn uns eins dieser Bedürfnisse über einen längeren Zeitraum vorenthalten wird, so fühlen wir uns unwohl, werden vielleicht gereizt oder sind unzufrieden.

Bei Hunden ist das sehr ähnlich: damit der Hund ein zufriedenes und ausgeglichenes Leben führen kann, sollten seine Bedürfnisse erfüllt sein.

 

 

Meine Kollegin Monika Oberli hat dazu ebenfalls einen schönen Artikel verfasst, in dem auch die „Bedürfnispyramide“ vorkommt, in der die Hierarchie der verschiedenen Bedürfnisse eines Hundes aufgeführt ist. Dabei geht es von den Grundbedürfnissen wie Futter und Wasser über ausreichend Ruhe bis hin zu den Bedürfnissen, die Dein Hund individuell hat, die sogenannten „Ich“ – Bedürfnisse und das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Nachfolgend noch eine weitere Darstellung der "Bedürfnispyramide":

 

Quelle: http://www.dogpsychologistoncall.com

Created by Linda Michaels, M.A., Psychology

 

Warum spielen Bedürfnisse für das Training überhaupt eine Rolle?

 

Ich möchte im Training mit einem Hund – Mensch – Team eine nachhaltige Veränderung erreichen. Dabei reicht es nicht aus, bestimmte Verhaltensweisen, die aus der Sicht des Menschen als störend empfunden werden, einfach abzustellen. Wenn ein Hund zum Beispiel bellt, sobald es an der Tür klingelt, ist es für mich keine Option, über eine Strafe wie Wasser oder eine Rappeldose das Bellen einfach nur abzustellen. Denn der Grund, warum der Hund bellt, ist dann immer noch vorhanden und der Hund traut sich lediglich nicht mehr, dieses Verhalten zu zeigen. Ich möchte also an der Ursache des Verhaltens arbeiten.

 

Ein Verhalten hat häufig aber nicht nur „die eine“ Ursache. Bellt dein Hund zum Beispiel andere Hunde an, wenn er an der Leine läuft, dann ist zunächst einmal der andere Hund der konkrete Auslöser für das unerwünschte Verhalten. 

Trotzdem kann das Verhalten: „Anbellen eines anderen Hundes“ noch begünstigt werden durch viele weitere Faktoren, die man im Alltag des Hundes findet:

  • Zu wenig Schlaf
  • Fehlende Sicherheit
  • Unentdeckte Schmerzen / Beschwerden
  • Zu wenig Sozialkontakt zu seinen Menschen
  • Langeweile / eintöniger Tagesablauf
  • Überforderung / stressiger Tagesablauf
  • Futterunverträglichkeiten
  • Usw. 

All diese Punkte können dazu führen, dass der Hund sehr viel häufiger Verhaltensweisen zeigt, die wir Menschen nicht möchten, wie zum Beispiel: Anspringen von Menschen, Beißen in die Leine, Anbellen von Hunden, Jagen von Autos oder Radfahrern, Hyperaktivität…

 

Du siehst schon, dass das Thema sehr umfangreich ist und daher werde ich mich in diesem Artikel vor allem auf die Bedürfnisse konzentrieren, die im Alltag und für das Training meiner Erfahrung nach häufig eine Rolle spielen (können).

 

 

Frecher Terrier beißt Frau ins Bein
Unerwünschte Verhaltensweisen wie Beißen kann auf zu wenig Schlaf oder zu viel Stress hinweisen.

 

Zu wenig Schlaf

Viele Hunde kommen schlecht zur Ruhe und leiden so an einem dauerhaften Schlafdefizit. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass sie ihre Menschen ins Büro oder zur Arbeit begleiten und hier nicht ausreichend Ruhe finden. Es kann auch daran liegen, dass sie in der Sorge vor dem Verlust oder weil es vom Menschen aus Versehen verstärkt wurde dem Menschen in der Wohnung folgen. Auch das Thema Sicherheit spielt hier eine große Rolle: Hunde, die noch frisch bei ihren Menschen sind und sich im neuen zu Hause noch unsicher fühlen, haben häufiger Probleme damit, ausreichend Schlaf zu finden und zu entspannen.

 

Hier kann der Aufbau eines Ruheortes sowie diverse Techniken der Konditionierten Entspannung den Hund unterstützen.

 

Zu wenig Kontakt zu den Bezugspersonen

Hunde sind soziale Tiere und haben sich im Laufe der Evolution den Menschen als Bindungspartner ausgesucht. Daher ist es für das Wohlbefinden der meisten Hunde ausgesprochen wichtig, dass sie sehr viel Zeit mit ihren Menschen verbringen können.

Imme wieder erlebe ich zum Beispiel, dass Menschen nicht möchten, dass der Hund mit im Schlafzimmer schläft. Wenn man den Hund über Nacht aus dem Schlafzimmer aussperrt, sind das 6-8 Stunden, die er von seinen Menschen getrennt verbringt. Wenn der Hund nachts unter Trennungsstress leidet, sich nicht ausreichend sicher fühlt und so nicht zur Ruhe kommt, hat das großen Einfluss auf sein Wohlbefinden.

 

Ich plädiere daher immer dafür, den Hund mit im Schlafzimmer schlafen zu lassen oder ihm zumindest die Wahl zu lassen, sich zu entscheiden, wo er schlafen möchte.

 

Trennungsstress im Allgemeinen

Für Hunde ist das getrennt sein von ihrer Gruppe nicht natürlich. Alleine bleiben muss daher kleinschrittig und für den Hund stressfrei erlernt werden. Jedes Mal, wenn ein Hund alleine ist und sich in dieser Zeit fürchtet oder in Aufregung gerät, an der Tür wartet, winselt, jault oder bellt bedeutet das für ihn eine große Belastung und wirkt sich auf den gesamten Organismus aus.

 

Schnüffeln, Freilauf, Umwelterkundung

Nach wie vor beobachte ich sehr häufig Menschen, die mit ihrem Hund an der kurzen Leine Gassi gehen und den Hund dabei nicht schnüffeln lassen. Sehr häufig kommt es auch vor, dass die Hunde schnüffeln, dann aber mittendrin vom Menschen weitergezogen werden und das immer wieder.

 

Das ist für den Hund extrem frustrierend!

 

Gerade auf dem Spaziergang ist es wichtig, dass der Hund die Möglichkeit hat, in seinem Tempo die Umwelt zu erkunden. Es geht dem Hund häufig nicht darum, Strecke zu machen, sondern vielmehr darum, zu schnüffeln, sich zu wälzen oder einfach zu beobachten. Das kann er am besten im Freilauf und mit Menschen, die bereit sind, sich seinem Tempo anzupassen und auch auf ihn warten, wenn es an einer spannenden Stelle einmal länger dauert.

 

Wenn Freilauf nicht möglich sein sollte, dann ist die Alternative eine Schleppleine von mindestens 5 Metern, je nach Hundetyp aber auch von 10 oder 20 Metern Länge. Hier sollte der Hund auf dem Spaziergang ausreichend Zeit haben, ohne Unterbrechung durch menschliche Kommandos, seinen „Hobbies“ und Interessen nachgehen zu dürfen, so lange diese keine anderen Lebewesen in der Natur behelligen (Rehe hetzen, Jogger jagen oder ähnliches gilt daher nicht).

 

Hund schnüffelt im Wald am Boden
Interventionsfreie Zeit, um zu schnüffeln und die Umwelt zu erkunden, fördern das Wohlbefinden und die Zufriedenheit.

 

 

Hund auf dem Sofa oder im Bett

Ich kann sehr gut nachvollziehen, wenn man den Hund nicht im Bett habe möchte. Grundsätzlich liegt Dein Hund aber sehr gerne dort, wo Du auch liegst und gerade ein Sofa hat aus Hundesicht so viele Vorteile: Es ist bequem, es ist erhöht, es riecht nach uns.

 

Die meisten Hunde lieben es, mit ihren Menschen zu kuscheln oder zumindest mit Körperkontakt schlafen zu können. Wenn Du deinen Hund daher nicht im Bett und auch nicht auf dem Sofa haben möchtest, so plane bitte Alternativen dafür ein: Einen schönen Ruheort vor dem Sofa, setz dich zu ihm auf den Boden und biete dort den für den Hund wichtigen Körperkontakt an.

Körperkontakt führt zum Ausstoß des Kuschelhormons „Oxytocin“, dadurch erhöht sich das Wohlbefinden und auch die Bindung zwischen Dir und deinem Hund.

 

Hundesport

Du möchtest mit deinem Hund Hundesport machen? Da spricht grundsätzlich nichts dagegen. Ich habe mir gewünscht, mit meinem Hund Agility machen zu können und musste schnell einsehen, dass Pina weder vom Körperbau noch von der mentalen Konstitution her für diesen Sport gemacht ist.

 

Bei jedem Hundesport finde ich persönlich es wichtig, dass beide Parteien Spaß daran haben. Nicht jeder Hund eignet sich für alles und manchmal sieht man Hunde, die vielleicht lieber mit Frauchen durch den Wald schlendern würden, als auf dem Hundeplatz Unterordnung oder Longieren zu üben. Manchmal gibt die Rasse Aufschluss über Vorlieben, aber ich kenne Aussies, die sehr gerne den Dummy apportieren und Chihuahuas, die gerne Mantrailing machen.

 

Bleib doch einfach offen und schau, womit es Dir und auch deinem Hund gut geht.

 

Hund liegt beim Menschen auf dem Sofa
Die meisten Hunde lieben es, mit dem Menschen auf dem Sofa zu kuscheln.

 

 

Fazit

  

Ich könnte noch viele weitere Punkte aufführen, aber das würde den Rahmen des Artikels sprengen. Wichtig ist mir nur, darauf hinzuweisen, dass sich einige unerwünschte Verhaltensweisen schon alleine dadurch bessern, dass die Menschen mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse ihres Hundes nehmen. Mir ist das „Bedürfnisorientierte Training“ daher nicht nur so wichtig, weil ich so ein netter Mensch bin, sondern eben auch, weil sich manche Probleme mit deinem Hund dann einfach in Luft auflösen.  Und am Rest kann man arbeiten.