Ein Hund aus dem Tierschutz

 

Ein Hund aus dem Tierschutz?

 

Du möchtest einen Hund aus dem Ausland adoptieren? Vielleicht hast Du auch schon einen übernommen, der noch relativ frisch bei Dir ist?

 

Es gibt sehr viele gute Artikel zum Thema „Hunde aus dem Tierschutz“, die ich weiter unten auch verlinken werden.

Trotzdem möchte ich über ein paar Punkte schreiben, die Dich mit einem Tierschutzhund so erwarten können und versuche mich dabei auf die Sachen zu fokussieren, die vielleicht in anderen Artikeln noch nicht so oft beschrieben wurden.

 

Nach dem Einzug -  normal oder nicht normal?

 

Ich hatte mich vor einigen Jahren für eine Hündin aus Spanien interessiert, die mir direkt vermittelt werden sollte.

 

Beim Vorgespräch mit der Organisation am Telefon wurde ich eindringlich darauf hingewiesen, dass der Hund direkt nach der Ankunft lernen müsse, wie die Regeln im neuen zu Hause sind.

 

Heute erreichen mich immer wieder Anrufe von Kunden, deren Hund entweder noch nicht eingezogen ist oder der erst wenige Tage im neuen zu Hause lebt und die ganz viel Sorge haben, etwas falsch zu machen oder gar zu versäumen.

 

Ein Hund, der direkt aus dem Ausland zu Dir vermittelt wurde, hat in den letzten Wochen vermutlich Folgendes erlebt: 

  • Er wurde eingefangen oder ins Tierheim gebracht
  • Er hat hier eine Zeitlang mit anderen Hunden zusammengelebt und musste sich anpassen
  • Er wurde vermutlich kastriert und so einem Eingriff unterzogen, ohne eine feste Bezugsperson dabei an der Seite zu haben.
  • Er wurde nach Deutschland transportiert per Auto oder Flugzeug

Kurzum: Das Leben hat sich mehrfach verändert und war voll von Dingen, die einen Hund psychisch und körperlich nachhaltig stressen

.

Wenn der Hund bei Dir einzieht ist ihm nicht klar, dass das die letzte Station ist. Diese Erkenntnis kommt für ihn erst mit der Zeit und das kann mehrere Monate dauern.

Folgende Verhaltensweisen sind normal, wenn ein Hund neu bei Dir zu Hause eingezogen ist:

  • Er folgt seiner Bezugsperson auf Schritt und Tritt (das ist kein Kontrollwahn, sondern einfach Unsicherheit)
  •  Er möchte nicht spazieren gehen, weil es ihm Angst macht
  • Er bellt Dinge an, die er gruselig findet (und zu Beginn kann für einen Hund quasi alles gruselig sein)
  •  Er reagiert auf andere Hund mit Aufregung
  • Er zieht draußen an der Leine
  • Er ist nicht stubenrein
  • Er knurrt vielleicht, wenn ihm alles zu viel wird 

Wenn Du unsicher bist, kontaktiere einen positiv arbeitenden Hundetrainer, der dich unterstützt. Lass Dir bitte nicht einreden, dass Dein Hund der Chef sein will oder „einen auf dicke Hose“ macht. In aller Regel sind Hunde, die gerade einen Umzug hinter sich haben, vor allem sehr verunsichert und reagieren entsprechend.

Häufig haben die Hunde eine Zeitlang in einem Tierheim gelebt.
Häufig haben die Hunde eine Zeitlang in einem Tierheim gelebt.

Tierschutzhunde - sehr sozial?

 

Hunden aus dem Tierschutz wird nach wie vor nachgesagt, dass sie sehr sozial seien, gerade, weil sie häufig in Gruppen gehalten oder im Tierheim zusammengelebt haben.

 

Leider haben die Hunde dort aber auch sehr oft unschöne Erfahrungen mit anderen Hunden gemacht. Die Tierheimgehege sind beengt, auf engem Raum steigt die Gefahr für Auseinandersetzungen.

 

Auch beim Leben auf der Straße macht nicht jeder Hund nur gute Erfahrungen mit anderen Hunden (siehe auch: Ich will einen Tierschutzhund - der kann mit allen!)

 

Man kann also nicht grundsätzlich sagen, dass Hunde aus dem Tierschutz sozialer sind als andere Hunde. Häufig ist sogar das Gegenteil der Fall, nämlich dann, wenn Hunde schlechte Erfahrungen machen mussten (im Tierheim oder auf der Pflegestelle) und auch dann, wenn Hunde in ihrer Jugend bestimmte Hundetypen nicht kennengelernt haben.

 

Es ist daher durchaus möglich, dass dein Hund auf andere Hunde abweisend oder sogar ängstlich reagiert.

Hundeschule – ja, nein, vielleicht?

 

Der Besuch einer Hundeschule ist grundsätzlich natürlich sinnvoll und empfehlenswert. Gerade ein Hundetrainer kann von Beginn an zur Seite stehen und bei Fragen unterstützen.

 

Ob der Besuch einer Gruppenstunde empfehlenswert ist, kommt sehr individuell auf den Hund und auch auf die Gruppenstunde an.

 

Wenn Du einen Hund hast, der im Tierheim gelebt hat und dort vielleicht in einer Gruppe gehalten wurde, dann ist es gut möglich, dass die Umgebung einer Hundeschule ihn stresst: Der Hundeplatz riecht extrem nach sehr vielen fremden Hunden, man hört Gebell, es ist laut und manchmal auch hektisch. Die Atmosphäre erinnert manche Hunde an die Situation im Tierheim.

 

Für einen Hund, der noch neu ist oder den die Anwesenheit anderer Hunde eher beunruhigt, für den ist die Gruppenstunde belastend. Häufig kommst Du dann gar nicht so richtig zum eigentlichen Training, da zunächst an der Entspannung des Hundes gearbeitet werden muss. Hier ist ein Einzeltraining dann für euch der bessere Weg.

Wenn Dein Hund durch den Besuch der Hundeschule gestresst ist, kann es zudem dazu kommen, dass er zu Hause vermehrt unerwünschtes Verhalten zeigt.

 

Tierschutzhunde – vor allem Mischlinge – sind ja gesundheitlich so robust?

 

Mischlinge gelten nach wie vor als gesundheitlich sehr robust. Hunde aus dem Tierschutz manchmal auch, weil der Gedanke verbreitet ist, wer unter „kargen“ Bedingungen aufwächst, der muss ja ein gutes Immunsystem haben.

 

Leider ist nicht unbedingt der Fall: Durch Mangelernährung während der Entwicklung, Stress und ungünstige Umweltbedingungen leiden eben auch Hunde aus dem Tierschutz unter diversen Krankheiten. 

 

Neben den bekannten Mittelmeerkrankheiten, die Hunde aus dem Süden in sich tragen können, haben die Hunde gerade in der ersten Zeit nach dem Umzug, bedingt durch Stress und den Aufenthalt im Tierheim, gerne Würmer oder andere Parasiten. Bei Fehlstellungen der Gliedmaßen kann es zu orthopädischen Beschwerden kommen, durch einen nicht optimalen Aufbau der Darmflora neigen manche Hunde zu Unverträglichkeiten.

 

Trotzdem erreichen viele Hunde aus dem Tierschutz ein hohes Alter! Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie weniger von Krankheiten oder Allergien betroffen sind, als Hunde von einem Züchter.

Unsicheres Verhalten oder Vorsicht bei neuen Dingen sind zu Beginn normal.
Unsicheres Verhalten oder Vorsicht bei neuen Dingen sind zu Beginn normal.

Erwartungen, Erwartungen… immer wieder die Erwartungen

 

Wenn Du einen Hund für eine ganz bestimmte Aufgabe suchst, wenn Du spezielle Anforderungen an Deinen Hund hast, wie zum Beispiel eine bestimmte Sportart oder eine bestimmte Ausbildung mit dem Hund vornehmen möchtest, dann bist Du vermutlich mit einem Rassehund von einem Züchter besser aufgehoben.

 

Denn: Auch, wenn sich Rassehunde innerhalb ihrer Population unterscheiden können, so ist die Vorhersagbarkeit von Wesen, Körpergröße und –gewicht und den zu erwartenden Eigenschaften deutlich einfacher.

 

Bei einem Mischling kann man sich immer wieder täuschen und schon aus so manchem vermeintlichem Golden Retriever ist auf einmal ein Herdenschutzhund geworden, der im Büro keinen der Arbeitskollegen mehr an den Schreibtisch  oder keinen Besuch mehr ins Haus lässt.

 

Wenn Du einen Hund aus dem Tierschutz übernimmst, so plane Zeit ein und sei dem Hund so offen wie möglich gegenüber.

 

Es ist nicht sicher, dass der Hund nach 3 Wochen alleine bleiben oder dich täglich ins Büro begleiten kann. Vielleicht ist er mit dem Training auf dem Hundeplatz überfordert oder mag keine fremden Personen, vielleicht entpuppt er sich als Schlafmütze oder als überschäumende Sportskanone. All das solltest Du einkalkulieren, zumindest dann, wenn Du den Hund nicht auf einer Pflegestelle kennenlernen kannst. Das Verhalten des Hundes in einem Shelter oder im Tierheim kann anders sein, als bei Dir zu Hause.

 

Fakt ist: Auch ein Tierschutzhund kann Erfahrungen nachholen und sich zum tollsten Freizeitpartner entwickeln. Und auch ein Hund vom Züchter kann Eigenarten entwickeln, die man nicht erwartet hat.

 

Mein Wunsch wäre, dass jeder, der einen Hund aus dem Ausland adoptiert, diesem unvoreingenommen und offen gegenüber ist. Frei von unerfüllbaren Erwartungen und bereit, diesem Hund empathisch und gefühlvoll die Welt zu zeigen.

 

 

Weiterführende Artikel:

Der Hund aus dem Tierschutz

Der ängstliche Tierschutzhund aus dem Ausland

Hunde aus dem Auslandstierschutz